[Politik] - Kinderbetreuung in (West-)Deutschland katastrophal

Dieser nüchternen Kurzanalyse der verfehlten deutschen Familienpolitik ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen:

Wieder geht es dabei um die individuelle Förderung von Eltern mittels Geld - ein gern benutztes Instrument der deutschen Familienpolitik. Damit ändert sich aber nichts am drängendsten Problem: der Betreuung. ... Immer noch müssen sich Mütter in Deutschland rechtfertigen, wenn sie kurz nach der Geburt und womöglich auch noch in Vollzeit wieder arbeiten gehen." Familienpolitik - Warum Deutschland keine Lust auf Kinder hat

Stimmt auffallend.

Aus meiner (ich weiß, dass nicht verallgemeinerungsfähigen) Sicht war das das Highlight des Artikels:

"Was tun, wenn der Chef in der Kommunikationsabteilung mal wieder ein Meeting auf 17 Uhr gelegt hat?" (Wow, 17 Uhr! Doch so spät?!)

Franzi am 28.07.2011 - 20:39:06

Ich habe den Artikel gestern auch gelesen und mich einigermaßen drüber geärgert. Allerdings bin ich nicht mehr genau sicher, ob ich mich eher über den Artikel oder die Kommentare darunter geärgert habe.

Ich find die Aussage, es wäre falsch, potentielle Eltern mit Geld zu fördern untragbar. Zumindest solange, wie die übrigen Faktoren nicht stimmen.

In Hannover kostet mich der Krippenplatz für Zwillinge 450 Euro im Monat (sofern man bei der kläglichen Abdeckung überhaupt nach 1 Jahr einen bekommt!). Kindergeld sind 368 Euro. Man muss kein Genie sein, um zu sehen, dass die Rechnung hinten und vorne nicht aufgeht...

Und wie ist das mit so Details wie, dass die Kindergärten 30 Werktage im Jahr Ferien haben? Was sollen diejenigen Eltern tun, die keine 30 Urlaubstage haben?

Dieses gesamte Thema Kinder in Deutschland ist an allen Ecken und Enden katastrophal und die oft einseitige Berichterstattung geht mir sowas von auf den Zeiger!!

Ines am 29.07.2011 - 06:22:04

@Ines:
Was wäre dir denn lieber: mehr Kindergeld und du kümmerst dich weiterhin selbst um Krippen- und Kindergartenplätze oder weniger Kindergeld und dafür die Garantie, einen Kita-Platz in deiner Nähe (fußläufig) von 6 bis 18 Uhr mit geringen Schließzeiten (nur 2 Wochen im Sommer)?

Solche Kita-Plätze müssten für Gutverdiener nicht mal kostenlos sein. Ich würde sogar was für bezahlen. Kostenlos müssten sie nur für Geringverdiener und Arbeitslose sein.

Leider seid ihr im Westen von solchen Zuständen noch himmelweit entfernt. Wir hier im Osten nicht ganz so stark - aber auch hier bekommt man einen Ganztagsplatz nur, wenn beide Eltern arbeiten. Soviel also zur Förderung von Kindern, die es besonders nötig hätten.

2013 soll ja der Rechtsanspruch kommen. Nur leider wird das kaum einen Platz mehr bringen. Eher wird man in der Panik vor der Deadline a) den Rechtsanspruch aufweichen/abschaffen oder b) sagen: Hey hier habt ihr erstmal 50€ mehr Kindergeld, davon könnt ihr euch doch selbst eine Betreuung organisieren. Macht mal.
Na schönen Dank.

So, ich freu mich jetzt weiter, im Osten wohnen zu dürfen, wo man schon seit Jahren einen Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz in seiner Stadt hat :-)

Konrad am 29.07.2011 - 09:02:01

Ich bin ehrlichgesagt ein wenig geschockt, dass du den Begriff "fußläufig" in deine Frage eingebaut hast. Hier in Hannover kann man schon froh sein, wenn man überhaupt einen Platz bekommt. Ich weiss schon, dass das größte Problem in Magdeburg ist, eine Krippe in der Nähe zu bekommen. Aber das kann man nicht vergleichen. Auch habe ich nirgends geschrieben, dass ich erwarte, dass der Krippenplatz kostenlos sei. Ich finde nur die großen Kostenunterschiede in Deutschland unerträglich.

Und was nützt mir ein Krippenplatz, der von 6 bis 18 Uhr geöffnet hat, wenn ich dafür eine Stunde durch die Stadt fahren muss (und eine halbe wieder zurück bis zur Arbeit), und am Abend das gleiche nochmal umgekehrt. So kann man definitiv nicht mehr Vollzeit arbeiten.

Um deine Frage zu beantworten: es ist mir egal, ob mehr Kindergeld und davon dann einen Krippenplatz bezahlen oder von mir aus auch weniger Kindergeld und dafür einen kostenfreien oder eben zumindest deutlich günstigeren krippenplatz.

Letztlich geht es mir vor allem darum, dass ich es ungerecht finde, im "Westen" genauso wenig (oder sogar weniger) Gehalt zu bekommen, wie im "Osten", dafür aber deutlich mehr für die Kinderbetreuung zahlen zu müssen - wenn man denn überhaupt einen Platz bekommt (Abdeckung irgendwo um die 10%!!!)...

Und wenn man dann wieder über die Kinderlosigkeit Deutschlands an und für sich spricht, sollte man wenigstens auch erwähnen, dass die Spermienqualität (dank Handys in den Hosentaschen) nachweislich immer schlechter wird und ungewollte Kinderlosigkeit immer weiter steigt. Es gibt nur wenige Paare, die sich die teuren behandlungen leisten können und wollen.

Man kann eben nicht einfach nur sagen, Deutschland hätte keine Lust auf Kinder, und dann die Schuld NUR auf einen Faktor schieben. Es spielen sehr viele Faktoren eine Rolle, aber für keinen davon interessiert sich die Politik so richtig.

Ines am 31.07.2011 - 10:07:46

@Ines: Natürlich spielen bei der Kinderlosigkeit der Deutschen viele Faktoren eine Rolle. Einer ist sicher die fehlende Infrastruktur, und sicher ist der individuelle Freiheitsgedanke heute viel stärker ausgeprägt als früher. Kinder wollen, aber keine zu bekommen ist auch ein Grund, aber den gab's schon früher.

Und ja: Die Plätze im Westen sind rar und teuer. Auch im Vergleich zu den oft(!) größeren Gehältern. Mehr Gehalt macht aus 0 Kitaplätzen eben nicht 200.

Und wieso bist du von "fußläufig" geschockt? Du sagst es doch selbst: Es lohnt sich nur ein Platz in der Nähe ohne lange Anfahrtswege.

Um meine Sicht nochmal zusammenzufassen: Ich würde es politisch 1000 mal lieber sehen, wenn Eltern weniger Bares und dafür mehr garantierte Infrastuktur (z.B. Krippenplätze in der Nähe) bekämen.

Konrad am 31.07.2011 - 10:41:02